Helmel (Johannes Scharf)
Autor: Michael P.
Die Novelle des äußerst umtriebigen und vielseitig talentierten Autors und Aktivisten Johannes Scharf war bereits Teil einer Anthologie aus dem Jahr 2015. Der Verlag Metapol hat sich entschieden Helmel nun noch einmal eigenständig zu veröffentlichen und somit einem neuen Publikum zugänglich zu machen. Dazu ergänzte man die Schrift um einen ausführlichen literaturwissenschaftlichen Aufsatz des Autors. Eine ausgezeichnete Idee, die auf zwei Ebenen Früchte trägt:
So finden wir zunächst eine prägnante Erzählung vor. Ein junger Berner Student stößt in einem Archiv auf die Kriegstagebücher eines deutschen Fliegers aus dem zweiten Weltkrieg. Fasziniert beginnt er diese zu transkribieren und macht sich schließlich auf die Suche nach den Nachfahren dieses Soldaten, um am Ende eine verblüffende Offenbarung zu erleben. So leichtgängig sich die Geschichte angeht, so tückenreich ist deren Konstruktion für den Verfasser. Vieles hätte er bei den kreierten Passagen aus den Kriegstagebüchern falsch machen können. Den Duktus eines Weltkriegsteilnehmers authentisch wiederzugeben, ohne in Klischees oder nicht zeitgemäße Sprache zu verfallen, ist eine erhebliche Leistung. Sie ist Scharf meiner Meinung nach gelungen, wenn dies letztlich natürlich auch nur ein Zeitzeuge zweifelsfrei attestieren könnte. Er ist so klug, seine fiktive Erzählung mit einer real existierenden Einheit der Luftwaffe zu verweben. Ganz losgelöst vom eigentlichen Handlungsbogen, sendet Scharf eine wichtige Botschaft: Das unverfälschte Wort unserer Vorfahren aus der Kriegsgeneration droht vollends zu verstummen. Die Deutungshoheit haben längst politisch indoktrinierte Staats-Historiker übernommen. Dabei schlummern vermutlich noch zehntausende unentdeckte Tagebücher und Briefwechsel von Kriegsteilnehmern auf deutschen Dachböden. Wir sollten uns bemühen, diese ebenfalls zu bewahren, sie zu digitalisieren und somit für die Nachgeborenen zu retten. Helmel ist für mich persönlich ein Impuls, das in der eigenen Familienchronik anzugehen. Es wäre großartig, wenn sich dem möglichst viele anschließen würden.
Die zweite Ebene, die Helmel zu einem Erfolg macht, ist ihr künstlerischer Wert. Sie rückt die Gattung der Novelle in das Bewußtsein einer deutschfreundlichen Leserschaft, welche sich mit dieser Literaturform mutmaßlich kaum beschäftigt haben wird. Insofern ist der zweite Part – Scharfs wissenschaftlicher Artikel – unverzichtbarer Bestandteil des Büchleins. Es ist wohl kein Zufall, daß dessen Aufmachung an die weitverbreiteten Reklam-Heftchen erinnert, die so mancher Student im Zug geschmökert hat. Mit einem sehr fairen Preis von unter 10 Euro ist Helmel somit ebenso erschwinglich wie Jackentaschen-kompatibel. Und auch wenn sich die Novelle rasch durchliest, was nun einmal in ihrer Natur liegt, so hallt sie in ihrer Wirkung noch lange nach. Ein großes Kompliment gilt an der Stelle dem Verlag, der sich glaubhaft um eine rechte Gegen-Hochkultur bemüht. Helmel ist ein wichtiger Baustein bei jenem Vorhaben.