Unser. Euer. Krieg. Die Krätze.
Autor: Thyr Heineg
Kein “Putinversteher”, auch nicht sein Freund
Mein Patriotismus: klassisch: deutsch
Kein “Putinversteher”, ein trauriger Deutscher
Bitter von all den Ellipsen Enttäuschter
Kein “Putinversteher”, ein launiger Deutscher
Gebürliche Wirkung, natürliches Moll
Kein “Putinversteher”, ein staunender Deutscher
Der fragt, warum er da nun mitschreien soll
Im Chor der Orangenen in Mainz: ZDF
Im Ersten um 8, später im Kölner Treff
Bei Sandra, bei Anne, bei Markus, bei Frank
Bei Ärzten, bei Hosen, bei Skins und bei Punks
Bei Weisband-Marina, der Hagenschen Nina
Der Moschnerschen Ruth, alle fühlen sich gut
In der TAZ, in der FAZ, in der WAZ, bei der Wurst
Conchita-Amigas, da schweig ich mal kurz
Bei Hofreiter-Toni, bei Lindenberg-Udo
Palina Rojinski, bei Sido und Smudo
Bei Joko und Klaas und bei Broder und Maas
Jetzt ist Schweigen Protest, denn ihr Schreien ist staatstragend
Iden des Merz: wann fordert die Union die Bombe?
Ich geh schon mal in den Luftschutzkeller.
Gedämpft hör ich den Lärm...
Bei Antifa-Demos, bei Juso-Kongressen
Beim Latte in Mitte, bei ver.di in Essen
Bei IG Metall und bei Rheinmetall und bei Heavy Metal
Am Nürburgring: Schreien, kein Singen
Bei RTL 1 und bei RTL 2
Und bei RTL Super sind alle dabei
Beim Kniefall, der Liga, der FIFA, der Binde
Beim Regen, beim Bogen, beim Habeck, beim Lindner
Bei Gretchen, Raketchen, bei Femen-Protesten
Bei allen so drallen im knalligen Westen
Bei Krömer, bei Welke, bei Ronzheimers Schelte
Auf alles, was nicht transatlantisch sein will
Bei WISO, bei Rezo, in Weltspiegel-Videos
Bei Maischberger, Plasberg, bei Lanz und bei Will.
Oh, ich wiederhole mich.
Und benutze doppeldeutige Wörter als Endreime. Nix gut.
Liegt wohl am Wodka, den ich verbotenerweise getrunken habe.
Ich bin Strack wie Frau Zimmermann.
Kein “Putinversteher”, ein skeptischer Deutscher
Kein Bock auf ein Bündnis mit all den Gestalten
Mit Harris Kamala, Madonnas Kabbala, dem schläfrigen Joe und dem spritzigen Bill
Der City of London, der Forderung nach Bomben und dem, was die schäbige Company will
Kein Bock auf die Uschi in Brüssel, kein Bock auf den Stoltenberg-Jens
Kein Bock auf die Hollywood-Action, auf Rambo und all seine Fans.
2022. Es ist soweit. Deutsche Nationalisten projizieren das
Bat-Signal in den Nachthimmel und hoffen auf
“Superheldenhilfe gegen den Superschurken”. Supergurken.
Mich stört die Agenda aus D.C., die sie einfach übernehmen.
Ob sie sich damit am Ende übernehmen? Den Haag wird's zeigen...
Ob ich mich ihnen anschließe? Ich muss es verneinen!
Ob sie nach Ramstein kommen? In Ramstein bleiben?
Fliegende Verbände oder fliegen die Verbände? Zeiten. Wende.
Gehen alle in die Open Society, mach ich die
Geschlossene Gesellschaft.
Voll oldschool. Grenzen dicht.
Muss mich um Deutschland kümmern.
#StandWithGermany
Der Fokus auf die eigene Nation – bei vielen deutschen Nationalisten im traurigen Sommer '22 leider aus der Mode gekommen...
...es wimmelt von Solidarisierungen, Positionierungen, Applaus für Regierungen. Für die eigene und für die fremden. Das geht bis hin zu Waffenbrüderlichkeit, Waffenforderungen und Waffengeboten. Im Duktus der Gebote auf den Steintafeln, die irgendwer irgendwann mal von irgendeinem Berg gebracht haben soll...
Im Frühjahr war das alles für die Ukraine. Alles und alle bis alle alle sind. Das war die große pan-europäische Aufbruchstimmung: Ukrainer wehren sich gegen die eindringenden Russen. Allen voran das Asov-Regiment. Vor diesem Regiment hat man als Nationalist (unabhängig der Nationalität) den Hut zu ziehen! Diese Männer kämpften und fielen für ihre Nation. Sie sind in der Tat und durch die Tat Helden.
“Und was hat das alles mit uns zu tun?” fragen sich viele. “Alles!!!” sagen die einen, “Garnix!!!” sagen die anderen. Auf einmal wimmelt es von Experten für Weltpolitik und Geostrategie. Alle können plötzlich kyrillische Buchstaben lesen oder haben zumindest eine garantiert glaubwürdige Übersetzung gefunden. Alle haben plötzlich die ultimativ valide Quelle ausgegraben und sind obendrein Meister der Textexegese irgendwelcher 'Schattenmänner und Einflüsterer' geworden. Diplomiert schon Anfang März...
Das monströse Fach- und Geheimwissen will natürlich offenbart werden, so dominieren schnell Schlagworte und diffamierende Etikette die Debatte innerhalb der Rechten. “Putinknechte”, “Bidenknechte”, “Neobolschewisten”, “Neocons”, “Eurasier”, “Ostler”, “Westler”... letztlich alles Wrestler. Viel Show, wenig dahinter. Sie wrestlen nicht mit Körpern oder Körperschaften, sie wrestlen mit Worthülsen, der Inhalt geht meist im Datennirvana unter. Freiwilligenverbände in der Division Telegram. Beide Seiten dieser extremistischen Kupfermedaille haben nicht nur den Fokus auf die eigene Nation verloren, sie gestehen diesen Fokus anderen (Nationalisten) nicht einmal mehr zu!
Wer nicht mitmachen will beim Krieg, der gilt als feiger Verräter an der Sache und wird de facto bestenfalls als Schwachkopf, schlimmstenfalls als Feind abgestempelt. So weit sind wir also schon. Ich hasse die leidige Unterscheidung in “Altrechts” und “Neurechts” ja, aber an dieser Stelle drängt sie sich für die Analyse leider auf. Während manche in der “Neurechten” Putin als den neuen 'besten Freund des deutschen Volkes' ansehen, dröhnt aus einem Teil der “Altrechten” ein schier unerträgliches Geschrei nach deutscher Beteiligung am Krieg. Das ist schlichtweg eine Zeitenwende. Aber keine im Scholzschen Sinne....
Putin supi finden ist eine Sache. Das ist intellektuell erbärmlich und letztlich auch feige: ein Volk kann sich nur selbst befreien. Ein “Outsourcing” ist da nicht möglich. Putin wird das nicht für uns übernehmen, der ist nicht unser Freund, der kocht sein eigenes Süppchen wie die anderen Arschlöcher auch. So weit, so wirr. Jedoch nach deutscher Beteiligung am Krieg zu schreien ist schlichtweg existenzgefährdend. Und damit meine ich nicht mal 'nur' unsere bloße Existenz als lebende Personen. Es gefährdet auch die Existenz unseres Nationalen Widerstands (oder was davon noch übrig ist nach 77 Jahren).
Die Absurditäten der Kriegsschreier gehen sogar so weit, dass sie mit den Amerikanern (!), der NATO (!!) und wenn nötig dem gesamten 'Freien Westen' (!!!) ein Bündnis gegen Putin schmieden wollen, der in ihrer Wahrnehmung irgendwas zwischen Zar Iwan, Stalin und einem Bondbösewicht aus dem Weltall ist...
Alles, für was wir stehen und standen, gegen was wir geeint demonstrierten und agitierten, löst sich gerade in Luft auf, weil einige selbsternannte 'Eliten der Bewegung' den weltweiten Befreiungskampf gegen den Bolschewismus 2.0 ausgerufen haben. Gottseidank folgen diesem Aufruf nicht sonderlich viele, aber die Schreier sind laut. Sie erhöhen die Schlagzahl. Sie artikulieren sich immer aggressiver. Hartnäckig versuchen sie den Diskurs zu dominieren und ihre Echoblase auszuweiten. Wir lassen uns das nicht länger bieten! Daher dieser Text, daher dieses Gedicht, daher dieser Poetry Slam.
Wer sich als deutscher Nationalist an russischen Truppen im Donbas mehr stört als an amerikanischen Truppen im Pfälzer Wald, der sollte sich fragen ob er noch im richtigen Lager ist, oder ob er vielleicht in der Jungen Union besser aufgehoben wäre...
...überhaupt kann man stellenweise keinerlei Unterschiede mehr erkennen. Man erkennt nicht mehr – weder rein inhaltlich, noch hinsichtlich der Propagandabegriffe (z.B. “Putins Gaskrieg”) – ob der Leitartikel von den 'Eliten der Bewegung' oder von einem Grünen geschrieben wurde. Wie ähnlich sie sich sind beim Stepptanz auf der neuen Transatlantikbrücke...
...immer wieder führen die E.d.Bs die “Gefahr des Bolschewismus” an, deren (präventiver) Bekämpfung sich nun alles und jeder 110%ig unterordnen muss. Der Westen sei ja im Zweifel immer noch das kleinere Übel... kannse dir nich ausdenken! Die Thesen werden wirrer und wirrer.
Nun gut, lassen wir uns einen Moment auf diesen Quatsch ein und stellen die Frage: Wo kommt der Kommunismus denn her? Die E.d.Bs (und vor allem die jüngeren Kameraden, die ihnen auf den Leim gehen) versuchen es ja stets so hinzubiegen, dass der Kommunismus eine reine Sache des Ostens sei. Sie reden unentwegt von der Sowjetunion, vom Politbüro, von der KPdSU. Alles richtig. All das gab es im Osten. Aber der Kommunismus begann nicht 1917.
Die E.d.Bs ignorieren ganz bewusst die historischen Fakten. Sie verschweigen die Französische Revolution, wo der Pöbel – oder sollte ich sagen “die revolutionäre Masse” sich durch die Straßen brannte; eine Revolution im tiefen Westen Europas, die zu egalitaristisch-atheistischen Jakobiner-Clubs und roten Fallbeilen führte. Sie verschweigen den in Trier geborenen und im Londoner Exil gestorbenen Karl Marx. Sie würden am liebsten aus der Pariser Commune die 'Moskauer Commune' machen. Leninismus, Trotzkismus, Sinowjewismus, Bucharinismus, Stalinismus und sonstige ekelhafte Sowjetmutationen haben allesamt ihre Wurzel im (ach so tollen) Westen.
Und zu ebenjenem Kommunismus des Westens gesellen sich das Staatskonzept der parlamentarisch-liberalen Citoyenrepublik, die universellen Menschenrechte, Börsen & Kapitalismus, sexuelle Revolution, “Frauenpower”, Psychoanalyse, Frankfurter Schule, die Antibaby-Pille und Black Lives Matter. Alles konsumentengerecht dargeboten in den “Community-Guidelines” des Meta-Konzerns und den Hollywoodfilmchen mit bösartigem deutschen Hauptdarsteller. Das soll unser Bündnispartner sein?! Nicht mit uns! Der Westen ist eine Rattenfalle, von der man die Finger lässt! Wer mit Amis und NATO in die Kiste steigt, darf sich nicht wundern, wenn er gef*ckt wird...
Aber mittlerweile frisst die 'antibolschewistische Großoffensive' ohnehin ihre Kinder... konnte man sich im Frühjahr noch mit der Ukraine – allen voran Asov – problemlos solidarisieren (und identifizieren!), muss man nun schweren Herzens seinen Blick auf den Balkan richten. Dort drohen 'serbische Kreml-Knechte' ja nun auch mit “Entnazifizierung” (by the way, who cares about Framing?!); da werden die Ohren natürlich ganz schnell gespitzt. Zeit für Dativ! Wem drohen die Serben mit “Entnazifizierung”? Richtig, den Kosovoalbanern hahaha. Wenn das mal keine Realsatire in Echtzeit ist! Der deutsche Pawlow-Hund springt mal wieder über jedes semantische Stöckchen, das man ihm vor die Nase hält. Wer soll denn da konkret “entnazifiziert” werden? Die Oma mit dem Kopftuch in der Berghütte? Der Imam in Pristina? Diese Fragen können wohl nur die 'Eliten der Bewegung' klären. Ich bin jedenfalls sehr gespannt darauf, wer so konsequent ist und zu seiner Ukrainefahne im WhatsApp-Status jetzt auch den albanischen Doppelkopfadler setzt...
Ebenso die eskalierende Situation in Taiwan. Sollen wir uns womöglich auch noch mit den Taiwanesen solidarisieren? Ihnen Panzer liefern? Gar für sie kämpfen? So absurd diese Fragen klingen mögen, in der E.d.B.-Logik ist das ja ein weiteres freies Volk, das vom “kommunistischen Aggressor” bedroht wird. Oder sind Hammer und Sichel der (Putinfreunde von der) chinesischen KP nicht so gefährlich? Und was hat das eigentlich alles mit uns zu tun? Auch das können nur die 'Eliten der Bewegung' klären und uns dann erklären. Am besten aber diese Woche noch, nächste Woche brennt's woanders...
Über den Autor:
Thyr Heineg (*1985) stammt aus der Kurpfalz und wohnt in Ludwigshafen. Er studierte Linguistik, Kulturwissenschaft, Translatologie und Philosophie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und arbeitet im Marketing- und Übersetzungsbereich.