Libro e Moschetto - Lebensbilder von Dichtersoldaten
Autor: Michael P.
Die Lektüre beginnt mit einem kleinen Mißverständnis. Denn anders, als es die Illustration des Buches vermuten läßt, bedeutet der italienische Titel nicht „Feder und Schwert“, sondern „Buch und Muskete“. Er ist Teil eines faschistischen Kampfspruches und drückt das zugrundeliegende Motiv des Dichtersoldaten treffend aus. Hätte man vielleicht besser einen anderen Titel gewählt? Vielleicht – aber weniger aufgrund der vermeintlich toxischen Herkunft, sondern schlichtweg um das initiale Verständnis bei der deutschen Jugend zu erleichtern – denn diese ist die erklärte, vorrangige Zielgruppe der vorliegenden Anthologie. Aber dann ist der Titel auf der anderen Seite doch auch wieder sehr treffend, denn er verdeutlicht, daß es hier nicht nur um eine deutsche Perspektive und um deutsche Schicksale handelt. Auch wenn deutsche Geister die Mehrheit bilden, so geht es hier um einen europäische Gesamtschau, um epochale, schillernde und häufig auch tragische Persönlichkeiten, denen drei Dinge gemein sind: Sie sind alle Schriftsteller und Poeten, sie eint das Streben um ein freies Europa der Völker und Vaterländer und sie haben alle das höchste Gut, ihr eigenes Leben, ohne Furcht und Zaudern in die Waagschale geworfen. Am Beginn der Textsammlung setzt sich die Einleitung mit der Frage nach einem universellen Geschichtsverständnis auseinander, um dieses gleich zu verwerfen. Geschichte ist immer das subjektiv Erlebte. Und doch ist ihr Verständnis unerläßlich für den, der die Gegenwart begreifen und die Zukunft gestalten will. Hier setzen die Verfasser an. Zu Recht befürchten sie eine große Geschichtsvergessenheit nicht nur in der allgemeinen Bevölkerung – ebenso unter den Deutschfreundlichen tun sich bei vielen bedenkliche Lücken auf. So geht es hier nicht nur darum, heroische Einzelschicksale aneinander zu reihen. Es geht darum individuelle Lebensgeschichten immer wieder in den Kontext der Zeit zu rücken, deren Zeugen sie waren. Es webt sich ein Teppich der deutschen und europäischen Geschichte, der selbst für historisch bewanderte Leser Erstaunliches und Erhellendes zutage fördert. Es sind 14 Männer, in deren Schatten wir die Kriegswirren von fünf Jahrhunderten erkunden. Natürlich ist hier kein flächendeckender Abriß möglich und wenig überraschend nimmt die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts den größten Raum ein. Jedes Porträt wartet aber mit tiefen Einblicken auf – was angesichts der Kompaktheit von 155 Seiten eine große Stärke des Werkes darstellt. Beim Lesen bin ich Personen begegnet, die ich meinte gut zu kennen, von anderen hatte ich nur oberflächlich gehört und einige waren mir zugegebenermaßen fremd. Da die Artikel von verschiedenen Autoren beigesteuert worden sind, unterscheidet sich die Herangehensweise an den jeweils Porträtierten. Mal führt der Weg eher durch das literarische Wirken, mal stehen die biographischen Erlebnisse stärker im Fokus und mal dominiert das Zeitgeschehen. Diese Abwechslung tut gut und ich kann ehrlich keine Schwachstelle unter den 14 Aufsätzen ausmachen. Jede Person ist klug ausgewählt. Jede leitet mit ihrem Vorbild an. Wenn ich eine sanfte Kritik äußern sollte, dann wäre es die, daß bei einigen Schilderungen dem Format geschuldete Verkürzungen nicht ausbleiben. Das fällt dann auf, wenn man mit der Vita einer Person näher vertraut ist. So fallen beispielsweise die Darstellungen von Ernst Jünger und Hermann Löns etwas sehr schwärmerisch aus. Ein Satz zu Jüngers LSD-Eskapaden oder Löns selbstzerstörerischer Vielweiberei hätte deren Ansehen keinen ernstlichen Schaden zugefügt und doch die Authentizität erhöht. Das fällt aber nicht so gravierend ins Gewicht, daß es den Gesamteindruck trüben würde. Was die Auswahl angeht hätten es wohl noch einige andere große Europäer verdient gehabt, Eingang in Libro e Moschetto zu finden. Exemplarisch nenne ich Hans Jakob von Grimmelshausen, der auf den Schlachtfeldern des Dreißigjährigen Krieges gekämpft hat und uns mit seinem Simplicissimus den wichtigsten deutschen Roman des Barock hinterlassen hat. Aber erstens müssen die Herausgeber verständlicherweise irgendwo ein Grenze ziehen und zweitens können diese sich bei Folgeauflagen mögliche Ergänzungen vorbehalten.
Was die „Lebensbilder von Dichtersoldaten“ am Ende zu einem ausgezeichneten Buch macht, sind die zahllosen Anregungen und Denkanstöße, die der Leser hier erfährt. Es sind gerade die von Krieg und Schicksal geprägten Gedichte, deren Schönheit und ergreifende Klarheit einen zutiefst berührt. Wer die Muße dazu findet, der steigt nach der Lektüre des Bandes in die Werke der 14 Poeten ein – Anleitung dazu findet er hier im Übermaß. Eine Liste mit weitergehenden Vorschlägen an Primärliteratur wäre künftig sicher noch hilfreich.
Den Herausgebern ist es gelungen eine wichtige Botschaft mit ihrer Publikation zu senden. Die Lebensleistung und das Werk großer Männer lassen uns Spätgeborene demütig zurück. Was haben diese Kerle erduldet, was erreicht – und wie bescheiden nimmt sich das Gros von uns daneben aus? Aber es widerspräche völlig dem deutschen und europäischen Geist der vorgestellten Akteure – und sicher auch der Intention der Macher des Buches – wenn wir in dieser Haltung verharrten. Nein! Wir sollen daraus Kraft schöpfen. Wir sollen uns wieder Gewahr werden, was echte Helden sind und somit die schlechten Abziehbilder und lauen Selbstdarsteller unserer Zeit demaskieren. Und vor allem sollen wir lernen, nicht zu verzagen, selbst in dunkelsten Stunden die Zuversicht nicht zu verlieren und erhobenem Haupt unserem Schicksal entgegen zu treten. Das ist am Ende das wahre Erbe dieser Männer.
MetaPol Verlag & Medien
156 Seiten, Hardcover