Was wir lieben mussten (Werner Bräuninger)

was wir lieben.jpg

Autor: Michael P.

Einen rauschhaften Roman legt Werner Bräuninger mit „Was wir lieben mussten“ vor; über weite Strecken eine ebenso witzige wie beißende Analyse des deutschen und europäischen Untergangs. Nur marginal wandelt der Autor in seiner Erzählung Persönlichkeiten und Geschehnissen der Zeitgeschichte ab. Stets ist klar, welche Namen, Institutionen und Ereignisse real gemeint sind. Seinen Anfang nimmt das atemlose Werk mit dem sakralen Freitod Dominique Venners 2013. Zutiefst ergreift dieser Opfergang den Protagonisten Tobias Fechter. Über elf Jahre wird sich die Geschichte auf den rund 240 Seiten erstrecken. Mal gehetzt in gewaltigen Etappen, mal in sorgfältiger Langsamkeit. Sie wird die Weltbühne von einem Ende zum anderen abschreiten und dabei ebenso höllische Schreckensszenarien beleuchten, wie sie den Ausblick auf eine friedliche und freie Zukunft gewährt.

Der sehr persönliche und zuweilen intime Dreh- und Angelpunkt ist hier stets die Hauptfigur. Dieser Mann, Ende 40, kultiviert, elitär, gut situiert, ein eleganter Genußmensch, der sich doch nicht in den seelenlosen Hedonismus seiner Zeit einreihen will. Zu groß ist in ihm die Sehnsucht nach dem Ewigen, dem Göttlichen. Gerade die Glaubensfrage quält den konvertierten Katholiken, dessen unerschütterlicher Bezug auf das christliche Fundament des Abendlandes sich auch für die gesamte Romanhandlung als tragend erweisen wird. Ein amplitudenhaft auf- und abnehmender Eros stellt die zweite Konstante in der Persönlichkeit des ewigen und kinderlosen Junggesellen dar. Wieviel autobiographisches in dieser Figur steckt, kann der Leser nur vermuten. Zumindest einige Eckpunkte der Vita weisen Übereinstimmungen mit dem Autor auf. Und es würde auch erklären, wie es gelingen konnte, daß dieser Protagonist mit seiner authentischen Tiefe so in den Bann zu verschlagen mag. Hier liefert einer nicht bloß Fiktion, hier schreibt er sich seine Ängste und Leiden von der Seele. Dabei befleißigt sich der renommierte Schriftsteller einer verschwenderischen Sprachvielfalt. Jeder Satz gespickt mit rhetorischen Petitessen. Jeder Absatz übervoll mit Anspielungen auf den gesamten Kanon der abendländischen Kultur – von Literatur, Geschichte, Architektur, Mode, Kulinarik, Musik bis zur bildenden Kunst. Ein Geistmensch durch und durch seziert mit dem Skalpell ein ins Mark verrottetes Heute. Das ist sowohl höchst unterhaltsam als auch schmerzhaft zutreffend.

Die Handlung ist im Kern sehr gradlinig: Wir begleiten Fechter auf seinem Weg als rechts-intellektueller Beobachter zu einem politischen Präger einer nationalen Reconquista. Maßgeblich ist hierbei das Konzept der Remigration, welches Fechter mit Hilfe eines jungen ägyptischen Freundes, der im Land seiner Väter ebenfalls politisch Karriere macht, am Ende umzusetzen vermag. Ein reinigender Sturm überzieht Europa und bevor der neue Morgen dämmert, mutet uns Bräuninger eine rabenschwarze Nacht zu. Apokalyptische Grauen müssen wir als Deutsche erleiden, immer wieder aufs Neue versklavt von einer ebenso boshaften wie unfähigen Politiker-Kaste und ihren unmenschlichen Schergen. Bei diesem Alptraum fällt es zuweilen schwer, „Was wir lieben mussten“ nicht als Dystopie zu begreifen. Doch am Ende steht der Triumph des Guten. Die freien Völker überwinden die Knechtschaft und errichten eine gerechtere staatliche Ordnung. Der Gedanke der Remigration verliert seine Unwahrscheinlichkeit in Anbetracht einer klugen Mischung aus konsequentem Abbau von Privilegien, dem Setzen der richtigen Anreize sowie Diplomatie und Propaganda. Ob es diese bessere, zukünftige Welt wird geben können, werden die nächsten Jahre weisen. Die schreckliche Gegenwart hingegen ist völlig real. Bräuninger zeigt uns einen kühnen Weg – ob dieser Wirklichkeit werden kann, liegt alleine in unseren Händen.

„Was wir lieben mussten“ ist zugleich ein sprachlicher Rausch, als auch ein flammender Weckruf. Mit Sicherheit keine Gefälligkeitsliteratur und das gleichgeschaltete Feuilleton wird wahlweise über diesen Roman eisern schweigen oder ihn mit Häme und Haß überschütten. Um so wichtiger, daß Bräuningers Botschaft mit Hilfe des deutschfreundlichen Lagers eine breite Leserschaft findet. Mag man nicht mit allen Nuancen und Akzenten übereinstimmen, die Vision eines freien, friedlichen und von deutschem Geist durchwobenen Vaterlandes jenseits des Fines Germania eint uns alle.