Waldbiwak zur Julzeit
Autor: Michael P.
Bleiern sinkt die Finsternis über moosbewachsene Birken und tote Kiefern. Kein Schimmer dringt durch den wolkenverhangen Himmel, aus dem steter Regen einsetzt. Hell lodern die Flammen unsere Lagerfeuers gegen die Schwärze an. Es wird uns in dieser langen Nacht weit mehr als Licht und Wärme spenden.
Ein Kamerad und ich haben beschlossen, in diesem Jahr Jul in der Stille und Abgeschiedenheit des deutschen Waldes einzuläuten. Impfhysterie, Ausgangssperren und Maskenwahn wollen wir für einige Stunden hinter uns lassen. Wir wundern uns, wie dicht frequentiert der Waldparkplatz an diesem Dezembertag ist. Vielleicht treibt die pure Verzweiflung unsere Landsleute in die Natur, da bekanntlich alle anderen Vergnügungsstätten geschlossen bleiben. Wir stören uns nicht an den verwunderten Blicken, die wir mit unseren erdfarbenen Jacken und dem massiven Marschgepäck auf uns ziehen. Nach einigen hundert Metern verlassen wir den breiten Pfad und schlagen uns ins Unterholz. Wir kennen die entlegene Stelle für uns Biwak von früheren Besuchen. Uns bleibt nicht mehr viel Tageslicht. Die Handgriffe sitzen und jeder weiß ohne große Worte was zu tun ist. Tarp abspannen, Schlafplatz einrichten, Feuerholz schlagen. Nach einiger Zeit steht der gußeiserne Topf in der Glut, in ihm köchelt ein einfaches Gericht. Es schmeckt uns besser als jedes Drei-Gang-Menü. Langsam kehrt auch in uns eine tiefe Ruhe ein. Wir reden nicht viel. Jeder hängt beim Blick in die Flammen seinen Gedanken nach. Sinniert über das was war, und das was vor uns liegt. Später in dieser Rauhnacht werden wir dazu die Runen befragen.
Versunken in der Einfachheit des Moments, fällt der lärmende Irrsinn einer grellen Welt von uns ab. Hier draußen gelten ihre Regeln nicht. Hier zählt nicht, was Du zu sein scheinst, sondern nur was Du bist. Immer stärker fällt der Regen. Wir denken an all die seelenlosen Kreaturen, die jetzt auf ihren Sofa-Garnituren liegen und sich berieseln lassen. Wie mögen die wohl empfinden, wenn sie ihre Balkontür einen Spalt weit öffnen, um den Schoßhund in den Garten zu lassen? Sie würden nicht verstehen, warum wir in dieser Nacht freiwillig auf die Behaglichkeit unseres Heims verzichten. Und ebensowenig verstehen wir, wie sie ihr sinnloses, entwurzeltes Dasein fristen können. Wo sie sich fremd und beklommen fühlen, da sind wir heimisch. Der dunkle Wald löst in uns keine Furcht aus – im Gegenteil er behütet uns vor den Verfallserscheinungen einer kranken Zivilisation. Als wir in die Schlafsäcke kriechen lauschen wir noch lange dem konstanten Prasseln auf der Plane, bis wir in einen überraschend erholsamen Schlaf sinken. Unser Lager hält den Wassermassen glücklicher Weise stand. Dennoch kehren wir verschlammt und nach Rauch stinkend zurück. Auf der Heimfahrt erwarten uns dann bereits die Sendboten der Moderne – Schnellrestaurants und Supermärkte blinken um die Wette in das fahle Grau der Morgendämmerung. Die toten Gesichter der anderen Verkehrsteilnehmer ermahnen uns, daß wir uns wieder in Narren-Reigen einzufügen haben. Wir aber kehren gestärkt zurück – denn zumindest für einige Stunden waren wir freie Männer!