Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

 
Schlechter Journalismus oder grottige Komödie?

Schlechter Journalismus oder grottige Komödie?

Autor: Michael P.

Für das letzte große Abenteuer hat Pro Sieben weder Kosten noch Mühen gescheut und seinen besten Mann ins Rennen geschickt. Der rauschmittelaffine Abenteuer-Reporter und renommierte Erotik-Journalist Thilo Mischke wagt die ganz große Nummer: Anderthalb Jahre hautnah drin in der ultra-rechten Szene. Das Ergebnis – eine über zweistündige Gardinenpredigt namens Rechts. Deutsch. Radikal.. Thilo geht dahin, wo es richtig weh tut: Schild und Schwert-Festival in Ostritz, der berüchtigte Kiez in Dortmund-Dorstfeld, er traut sich sogar im goldenen Löwen bei Tommy Frenck eine kleine Apfelsaftschorle zu trinken. Dabei trifft er auf die ganz harten Jungs. Thorsten Heise, Alexander Deptolla vom Kampf der Nibelungen, Sascha Krolzig und Michael Brück von der Partei Die Rechte, NPD-Kader und You-Tuber Sebastian Schmidtke turnt ebenfalls durchs Bild und Sanny Kujath von Junge Revolution begleitet er sogar über Wochen hinweg. Etwas ärgerlich fürs Story-Telling, daß er bei den Genannten ausnahmslos auf höfliche, wohl artikulierte Gesprächspartner trifft, die nicht im Traum daran denken, ihm ans Leder zu wollen oder ihn auch nur unfreundlich zu behandeln.

Da muß Thilo schon tief in die Trick-Kiste greifen, um sein Gegenüber situativ unglücklich da stehen zu lassen. Wobei – Verführung beherrscht unser lizensierter Zuchtbulle ja offensichtlich wie kein Zweiter, entspricht er doch nahezu perfekt dem gängigen Schönheitsideal als milchbärtiger Lauch. So bleibt trotz begleitender Trauma-Therapie durch die üblichen Verdächtigen von Exit, Antonio-Amadeo-Stiftung und staatlichen Schlapphut-Schnüfflern die erste Hälfte der Knallhart-Reportage blutleer und langweilig. Da können die Macher noch so sinistere Streicherklänge unterlegen, der rechte Grusel mag sich nicht einstellen. Ironischer weise wird es erst dann abgründig, als sich Thilo im zweiten Part der „gemäßigten“ neuen Rechten zuwendet. Mein persönlicher Höhepunkt ist ein völlig besoffener Oliver Flesch, der dem todesmutig ausharrenden Mischke mit dem Zeigefinger im Gesicht rumfuchtelt und irgendwas von Islam lallt. Dann gibt es da noch ein paar ältere Herren in zu engen Anzügen von der AfD, denen vor allem das Wohl der AfD und der darin versorgten Mandatsträger am Herzen liegt. Der ungekrönte Star ist aber zweifelsfrei „Postergirl“ Lisa Licentia, der wir live beim Ausstieg aus der Fascho-Szene zusehen dürfen. Seit Outdoor Illners epochalem „Ein Hetzer bereut“ habe ich keine so glaubhafte Verkörperung gutmenschlicher Zerknirschung mehr gesehen. Mit bebenden Schmollmundlippen und dicken Krokodilstränen wird der sportlichen Dreifach-Mama just in Thilos beruhigender Gegenwart offenbar, was für ein brauner Kackmist dieser ganze AfD-Kram doch ist! Der Fachfrau für nordische Mythologie fällt es wie Schuppen von den Augen, der nette Oli Flesch ist am Ende doch nur ein versoffener Lustgreis und Selbstdarsteller. Die verschwitzten AfD-Opis haben sie nur als zuckersüßes Feigenblatt mißbraucht. Später beim Hausbesuch in der geschmackvollen Ikea-Vorhölle liest ihr Thilo unerbittlich Haßkommentare vor, die unter ihren Videos zu finden waren. Oh wie brechen da alle Dämme. Lisa schluchzt zum Gotterbarmen aber Thilo weiß – das muß jetzt sein. Läuterung ist kein Ponyhof.

Wie gut, daß den Erfindern der Scripted Reality eine Spitzen-Idee kommt, wie Lisa ihren Ablaß erwirken kann: Man legt einfach einen AfD-Schnösel mit nachrichtendienstlicher Abhörtechnik aufs Kreuz. Das Los fällt auf Fraktions-Pressesprecher Christian Lüth, der sich in sexistischem und genozidalem Gesülze ergeht, in der offenkundigen Erwartung, daß er Lisa damit flachlegen kann. Den Verlust dieses Karrieristen und Dummschwätzers wird unser Vaterland zweifelsfrei verkraften. Wer sich nicht überwinden kann, Mischkes zähflüssiges Opus in seiner ganzen Länge zu betrachten, dem sei der prägnante Verriß des Kanals Achse:Ostwest ans Herz gelegt.