Der Inquisitor

Autor: Rudolf S.

2022 veröffentlichte der Propagandist Kurt Günther im Zuge der neuen Musikscheibe „Opferbereitschaft“ der Metallband „Blutzeugen“ ein Lied und thematisierte damit Terror und Massenmord. Die Rede war von einer Zeit des Mittelalters in der Häretiker aufgespürt, gefoltert und getötet wurden. In Europa kostete sie vom 12. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert Hunderttausenden Menschen das Leben. Um Unliebsame aus dem Weg zu schaffen, gründete die Kirche eine Institution für Psychopathen. Diese Psychopathen gingen in die Geschichte ein als “Inquisitoren“. In Sekunden werden durch Trommel und Gitarre Druck aufgebaut. Ein Druck der sich durch die dämonische Stimme des Sängers entlädt. Die Masse ist aufgebracht. Sie hat das gefunden, was sie gesucht hat: den Häretiker.

„Prügelt die Sau über Plätze und Straßen
Seine Worte Grund genug ihn zu hassen“
(Vers 7-8)

Das Reimschema der 1.Strophe ist einzigartig. Paarreim und Kreuzreim vermischen sich miteinander. Dies lässt schlussfolgern, dass Chaos herrscht. Der Häretiker wird als „Sau“ metaphorisiert, welche man beliebig behandelt. Es wird ein Bild geschaffen: Ein großer Platz, in deren Mittelpunkt der Scheiterhaufen brennt (V.2). Männer und Frauen entzünden Fackeln und tragen diese zum  Schafott.  Unweit des Scheiterhaufens thront der Inquisitor. Sein Verdikt ist der Tod. Eine Menschengruppe ist empört und kann nicht fassen, was gerade geschieht. Während eine andere Ansammlung frohlockt, weil sie ihren nächsten Ungläubigen gefunden haben. So

„hallt es durch die Gassen“ (V.5):
„Heil dem Volke, Heil der Ketzerei“ (V.6)

Der Platz überfüllt sich. Die Menschen trampeln sich nieder. Es ist nun soweit. „Der
Ketzer bringt sein Opfer für Gott.“
(V.3)
All dies wird untermalt mit den Tönen die man der Anfangsmelodie entnehmen konnte. Zwischen dem Gesang tritt sie deutlicher hervor. Das monströse Schlagzeug setzt einen langsamen Double Bass ein. Die Maschinerie kommt zum Höhepunkt des gesamten Silberlings.  

„Oh flammendes Urteil das mein Dasein bringt“ (V.9)

Es folgt der erste Kehrreim. Hier wird ein lyrisches Ich ausgearbeitet. Es ist sich im Klarem, dass sein Dasein einen flammenden Tod bringt. Im Vers 10 finden wir eine rhetorische Frage bei der das lyrische Ich fragt wie es hätte jemals unterlassen können. Das lyrische Ich ist der Häretiker und gibt in den darauffolgenden Versen bereits die Antwort auf die Frage:

„Solang der Ahnenblut durch meine Venen dringt
Werde ich niemals rasten“
(V. 11-12)

Außerdem wechselt der Sänger von einer rauen Stimme zu einer Helleren. Die angenehme, klare Stimme sorgt für Kontrast und Abwechslung. Sie wirkt wie ein Schwur den das lyrische Ich leistet. Der Häretiker konnte gar nicht anders. Sein Blut ist sein Diktat. Zudem wechselt die Gitarre die Melodie. Es werden höhere Töne schweifend   miteinander   verbunden. Die Toms bringen eine tiefe, kraftvolle Ergänzung. Kraftvoll und energiegeladen folgt schnell die 2.Strophe des Stückes.

„Es stinkt, und raucht, die Bestie steht in Flammen“ (V. 13)

Man male sich aus was passiert, wenn man einen Menschen bei lebendigem Leibe verbrennt. Das Blut beginnt zu kochen. Der Mensch, hier nun als „Bestie“ charakterisiert fängt an zu riechen und steigt jedem auf dem Platz in die Nase. Es findet ein Luftdruckausgleich statt. Der Wind trägt glühende Funken fort und auf den Dächern verfängt sich die Asche. Trotz dieser Folter vernimmt das tosende Publikum keinen Laut des verbrennenden Leibes (V. 14).


„Die Unschuld bleibt stets verschont von den Flammen
So frisst sich die Glut durch seine Wangen“
(V. 15-16)


Der Häretiker ist unschuldig. Die „Bestie“ bekommt Risse im Gesicht und herausquillt die feurige Glut. Nun „stirbt sein Leib doch sein Wort es besteht (V. 18).


„Durch seinen Tod ein neuer Samen gesät,
ein neuer Spross, die Wahrheit nie vergeht“
(V.19-20)

 

Hier kommt der Propagandist zu der übergeordneten Ebene. Die Wahrheit darf nicht vergehen. Die Wahrheit steht immer wieder auf. Es folgt der ausführlichere 2. Refrain:

„Es schreit der Pöbel, es geiern die Pfaffen
Wir prangen am Schandpfahl wie Hunde und Affen.“
(V.25-26)


Ein ausschweifender Klang entsteht. Die Stimme des Sängers singt wie der Teufel persönlich:
„Heil Inquisitor!
 Heil Inquisitor!“
(V. 27-28)


Im Hintergrund lässt sich eine merkwürdige Melodie erkennen, welche nachgemischt wurde und nicht von einem metallischen Instrument stammt. Jedenfalls kann man den eigentlichen Refrain mannigfaltig auslegen. Entweder ist es der Pöbel der schreit „Heil Inquisitor“ oder aber es ist der Träger der nationalen Idee. Auf der einen Seite wird das Volk gelenkt vom Feind und fordert den Flammentod des Ketzers.

„Sieh wie unser Anblick die Heuchler erbaut
Wie das ihrem Leben erst Leben einhaucht.“
(Vers 29)

Und hier macht sich der Verfasser des Textes, seinen Gegner zum Untertanen und erniedrigt ihn. Die Heuchler sprießen aus dem Boden, wenn der Nationalist auftaucht. „Heil Inquisitor“ wirkt paradox. Aber der Inquisitor verhilft dem Nationalisten erst zu wahrer Größe. Das wird in der 3. Strophe klar. Hier geht es sozusagen um Unsterblichkeit.

„Mit unserem Leib stirbt nicht der Geist,
der seit Generationen in uns reift.“
(V. 33-34)

Zugleich wird eine Analogie herausgezogen:

„Unser Vergehen – der Feinde Triumph“ (Vers: 37)

In der Präsentation erhält die Snare Drum die höchste Frequenz an Schlägen. 

„Doch eine Schlacht macht noch lang keinen Krieg
Fällt auch der Mann, uns ist der Sieg.“


Ein jahrelanger Kampf ist nicht verloren. Selbst wenn ein Mann fällt. Der Feind wird die letzte Schlacht nicht gewinnen. Die Hauptmelodie wird virtuos. Beim erstmaligen Hören denkt man, musikalisch kann man nicht schneller spielen. Die Waffen des Feindes sind Berge aus Unsinn, Lüge, Gift und Kerker. Mediale Verdrehungen, Drogen werden schmackhaft gemacht, Menschen werden eingesperrt. Unrecht ohne Sinn kann man nicht verehren. All dies wird abgeschlossen mit einem Gitarrensolo. Schmackhaft und unglaublich neigt sich das Lied dem Ende entgegen ohne Kenner zu enttäuschen. Ein wahrer Ohrenschmaus. Was hat über Jahrtausende Bestand?

„Sie ihre Zeichen, erkenne den Feind!
Freie Gedanken, freies Wort einigt in dieser düsteren Zeit!“